Neue Herausforderungen erfordern neue Routinen

Neue Herausforderungen erfordern neue Routinen
Neue Herausforderungen erfordern neue Routinen | Bildquelle: Unsplash

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Studie Mit Verantwortung durch die Krise: Was Purpose-Unternehmen resilienter macht. Mit Ausbruch der Covid-19 Pandemie geriet die Wirtschaft ins stocken und schnell war klar: Es bahnt sich eine Wirtschaftskrise an. Auf den Abschwung reagierten konventionelle Unternehmen mit »alt bewährten« Mitteln. Es folgten Zeitarbeit, Entlassungen und Kostenreduktion. Welche Handlungsspielräume eingeräumt werden, wenn das oberste Credo nicht mehr »generiere Rendite« lautet, zeigt Gesa Marken in ihrer Studie zu Purpose-Unternehmen auf. Ursprünglich ist diese Studie gemeinsam mit fünf weiteren »Geschichten des Gelingens« in einem Sammelband bei Metropolis erschienen. Der Lesbarkeit halber wurde die Studie für die Veröffentlichung in diesem Online-Magazin in sechs Artikel unterteilt. Bei diesem Artikel handelt es sich um den dritten von sechs Teilen. Unterhalb des Artikels wird auf die weiteren Teile verwiesen. 

Zerfallende Routinen 

Das Corona-Virus hat seit Beginn der Pandemie im Dezember 2019 weite Teile des gesellschaftlichen Zusammenlebens zum Stillstand oder auf Distanz gebracht. Treffen von mehreren Personen durften nicht mehr stattfinden, ganz zu schweigen von Großveranstaltungen, Feiern, Konzerten und Konferenzen. Auch die Purpose-Unternehmen bekamen die Auswirkungen zu spüren, die das Virus veranlasste: »Das Verrückte war: Das gesellschaftlich- soziale Leben war geregelt – als Unternehmer war man relativ frei« (Interview Purpose-Unternehmen). Diese Freiheit vereinfachte den Umgang mit der Situation jedoch nicht, sondern stellte vielmehr eine Herausforderung dar: »Da immer wieder den Weg zu finden, da nicht zu viel auch Durcheinander zu machen, […] das war unsere Aufgabe« (Interview Purpose-Unternehmen). So musste die Organisation trotz fehlender Vorgaben den Überblick behalten, denn das Corona-Virus wirkte sich auf alle Ebenen der Wertschöpfung aus: vorgelagert wie nachgelagert, intern wie extern. 

Auf der Ebene der vorgelagerten Wertschöpfungskette war besonders das Management der Lieferunternehmen betroffen. Die Partner*innen in China bekamen die Pandemie zuerst zu spüren:

»Wir hatten die erste Begegnung im Januar. Weil wir nämlich ein Partnerunternehmen in China haben, mit dem wir gemeinsam […] ein landwirtschaftliches Projekt haben […]. Und die uns wirklich gesagt haben: ›Wir haben da was in China und wir müssen gerade schauen, dass wir unser Unternehmen nicht schließen müssen‹ […]. Das ist eins der Unternehmen, denen auch zum Beispiel der komplette nationale Markt zusammengebrochen ist.« 

(Interview Purpose-Unternehmen)

Diese Entwicklung stellte das Purpose-Unternehmen direkt vor zwei Herausforderungen: einerseits die Notlage der Partner*innen erkennen und dann angemessen mit ihnen kommunizieren und sie unterstützen zu können, andererseits auch die Bedeutung für die eigene Unternehmung verstehen und die Komplexität handhaben zu können. Denn die Irritation der Lieferkette führte auch zu Schwierigkeiten, die das Unternehmen selbst in seiner Geschäftstätigkeit einschränkte:

»Es wird schwieriger die Ware aus Asien her zu bekommen. […] Es gibt bestimmte Industrien, die gibt es in Deutschland gar nicht mehr. Und da merkt man, egal wo man fragt, dieser globale Handel, auch über Schifffahrt […] und auch das Fliegen ist einfach durcheinander und wir müssen gut gucken, wie wir da wirklich auch klarkommen.«

(Interview Purpose-Unternehmen)

Bei Lieferausfällen ergeben sich nicht viele Optionen: »Da muss man einfach wirklich schauen: Was ist die Alternative? Und das Verrückte ist ja: nachhaltig gibt es nicht so viele Alternativen« (Interview Purpose-Unternehmen). Das Unternehmen musste frühzeitig die Einschränkungen erkennen und Handlungsoptionen ausloten. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Anspruch an die Lieferbeziehungen des auf Naturmode und Bioprodukte spezialisierten Unternehmens. In Zeiten der Corona- Pandemie konnten und können die bewährten Verfahren der Qualitätssicherung – etwa Audits – nicht mehr realisiert werden: 

»Das größte Problem im Moment [sind] diese Audits, die wir gemacht haben, […] Sie können ja in die Länder gerade nicht reisen. Also, wir machen uns da schon große Sorgen, […] da wirklich sicherzustellen, dass das, für was wir stehen, nämlich Transparenz und soziale Arbeitsbedingungen, dass das eben auch weiter bestehen bleibt.«

(Interview Purpose-Unternehmen)

Dabei bedarf es Kreativität, Ausdauer und Standhaftigkeit, um eigene Standards auch in Krisenzeiten einzuhalten und die Produktion aufrechtzuerhalten. Nun waren es aber nicht nur die erschwerten Lieferbedingungen, die für Unterbrechungen sorgten. Auch auf der Ebene der internen Unternehmensabläufe waren die Auswirkungen zu spüren, die das Virus veranlasste. Innerhalb des Unternehmens musste gewährleistet werden, dass alle Mitarbeitenden vor einer Infektion geschützt sind. Dies führte dazu, dass Meetings, Versammlungen und Geschäftsreisen abgesagt oder auf digitale Formate verschoben wurden: »Ich habe im Februar jemanden angerufen, der auch Kontakte nach Italien hat und die gesagt hat: ›Das könnt ihr umplanen. Das wird nicht möglich sein, dass ihr nach Italien kommt.‹« (Interview Purpose- Unternehmen). 

Auch die Purpose-Stiftung musste Alternativen finden und berichtete von »einer Mitgliederversammlung, die wir eigentlich physisch machen wollten und die dann aber online machen mussten« (Interview Purpose-Stiftung). Neben den Reisen und größeren Versammlungen waren auch die alltäglichen Routinen im Büro betroffen: »Dann kam natürlich das Thema, dass die Schulen und Kindergärten zugehen und uns klar war, jetzt müssen wir der Mannschaft die Möglichkeit geben, […] Homeoffice machen zu können« (Interview Purpose-Unternehmen). Schnelles Reagieren und eine flexible Umstellung der Arbeitsprozesse waren gefragt. Die Situation stellte eine Doppelbelastung für alle dar, die mittlerweile »seit einem Jahr im Homeoffice« (Interview Purpose-Unternehmen) arbeiteten und zusätzlich »die Belastung mit der Kindererziehung […], Homeschooling und Kindergarten [haben]« (Interview Purpose-Unternehmen). Etablierte Routinen mussten an die neuen Bedürfnisse und Anforderungen angepasst werden. Auch das Miteinander und die Zusammenarbeit im Unternehmen litten darunter, dass die Mitarbeitenden auf Abstand sein und aus der Distanz miteinander arbeiten mussten. Eine neue Herausforderung für das Management entstand: »Wie bleib’ ich virtuell bei meinen Mitarbeitern? Wie finde ich da ganz neue Wege, trotzdem im Gespräch zu bleiben?« (Interview Purpose- Unternehmen). 

Zusammenarbeit auf Abstand – das betrifft auch die nicht- digitalisierbaren Prozesse im Unternehmen. Insbesondere die »Logistik, die natürlich kein Homeoffice machen« (Interview Purpose-Unternehmen) kann, wurde der »latenten Gefahr« (Interview Purpose-Unternehmen) einer Infektion ausgesetzt. Die Herausforderung bestand darin, »sicherzustellen, dass einfach die Menschen auch wirklich den Abstand halten und […] die Produktion einfach aufrechterhalten« (Interview Purpose- Unternehmen) werden kann. Produktion und Logistik waren auch bei den Purpose-Unternehmen die Bereiche, die am schnellsten von Kurzarbeit betroffen waren. 


Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Studie Mit Verantwortung durch die Krise: Was Purpose-Unternehmen resilienter macht. Der Lesbarkeit halber wurde die Studie für die Veröffentlichung in diesem Online-Magazin in sechs Artikel unterteilt. Hier findest du alle Teile im Überblick:

Die gesamte Studie im Open Access lesen.