Umverteilung ohne Pfeil und Bogen

Umverteilung ohne Pfeil und Bogen
Umverteilung ohne Pfeil und Bogen | Bildquelle: Unsplash

Mit dem alltäglichen Einkauf im örtlichen Gemeinschafts-Supermarkt wird Wohlstand global umverteilt. Der erwirtschaftete Gewinn dient der Abwendung der Klimakrise und der Bekämpfung von extremer Armut. Was nach Filmromantik klingt, ist längst Realität. Der RobinHood//Store macht es möglich und geht erste unternehmerische Schritte in Richtung einer lokalen, solidarischen Wirtschaft. So entsteht ein Ort für demokratische Versorgung und nachbarschaftlichen Austausch. 

Kritik am Status Quo

Ausgangspunkt der Unternehmung ist die Tatsche, dass es einen Mangel an lebensnotwendigen Ressourcen, global betrachtet, nicht gibt. Von allem ist genug vorhanden, nur verteilt wird es nicht gerecht. So nehmen nach Schätzungen der Vereinten Nationen und der Weltbank die Zahlen der Menschen, die in extremer Armut leben und unter den damit verbundenen Folgen wie Unter- oder Mangelernährung leiden, durch die Covid-19-Pandemie erstmals wieder drastisch zu (United Nations 2020). Ob ein Mensch Zugang zu ausreichender Nahrung hat, ist keine Frage von Ressourcen, sondern von Wohlstand und seiner gerechten Verteilung. Gleichzeitig treffen die Klimakrise und ihre teils irreversiblen Folgen die Menschen und Regionen der Welt bereits jetzt am härtesten, die am geringsten dazu beigetragen haben. Die RobinHood//Community sieht die Hauptursachen für diese Fehlentwicklungen im kapitalistischen Wirtschaftssystem, das globale Krisen und Ungerechtigkeiten reproduziert und verschlimmert. Der RobinHood//Store soll einen Beitrag zur Veränderungdieser Fehlentwicklungen leisten.

Wirtschaft umdenken, Kapitalismus vom Kopf auf die Füße stellen

RobinHood// versteht sich als sozialökologische Bewegung, die sich die Umsetzung und Etablierung einer gerechten und solidarischen Wirtschaft als Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft für alle zum Ziel gemacht hat. Die Motivation aller Beteiligten liegt in der Überzeugung, dass Wirtschaft von Grund auf neugedacht werden muss. Die Idee von RobinHood// entstand vor wenigen Jahren in einem Wohnprojekt in Eberswalde bei Berlin. Der erste Laden von RobinHood// folgte. Inmitten eines Wirtschaftssystems, das die Natur ausbeutet, das Reiche reicher macht und von Armut betroffenen Menschen zunehmend den Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen wie Nahrungsmitteln verwehrt, wollten die Gründer:innen von RobinHood//nicht nur neue Wege erdenken und fordern, sondern diese auch lokal umsetzen. 

Am Anfang standen viele Fragen: Wie können kapitalistische Wirtschaftsprinzipien wie seine bestehenden zerstörerischen Produktionsverhältnisse und seine zutiefst menschenrechtsverletzenden Verteilungsmechanismen grundlegend abgeschafft, neu gedacht und zukunftsfähige und gerechte Alternativen etabliert werden? Wie können betriebliche monetäre Gewinne einer globalen Gemeinschaft zugute kommen anstatt wohlhabenden Einzelpersonen? Und wie kann Wohlstand durch eine lokale Gemeinschaft global umverteilt werden? 

Umsetzen statt fordern

Jeder Mensch ist auf den Konsum ausreichender Lebensmittel angewiesen, während eine restlose Selbstversorgung in einer arbeitsteiligen Gesellschaft unmöglich ist. Diese Erkenntnis und die Beschäftigung mit der Umdenkbarkeit von Wirtschaft mündete im Jahr 2020 in die Gründung einer GbR und des ersten nicht-gewinnorientierten Gemeinschaftssupermarkts in Berlin, dem RobinHood//Store. Seitdem werden hier und in der zweiten Filiale größtenteils Biolebensmittel zu fairen Preisen verkauft. Viele der Produkte werden aus kleinen, regionalen oder besonders unterstützenswerten Betrieben und Projekten bezogen, um Lieferketten kurz und Fußabdrücke klein zu halten. Ein langfristiges Ziel der RobinHood//Community ist es, Obst und Gemüse zu großen Teilen aus solidarischen Landwirtschaftsbetrieben zu beziehen. Von zentraler Bedeutung für das Konzept ist, dass die Gewinne, die in herkömmlichen Handelsunternehmen privatisiert werden und so Einzelpersonen zugute kommen, im RobinHood//Store zur Bekämpfung von Armut und Klimakrise eingesetzt werden. Die Gewinne werden vollständig und zu gleichen Anteilen an givedirectly und coolearth gespendet und kommen so der globalen Gemeinschaft und zuerst den bedürftigsten Menschen zugute.

Die Gemeinschaft gewinnt

Die Unternehmung versteht sich als Gemeinschaftsprojekt und funktioniert auch nur durch eine engagierte Gemeinschaft, die die zentrale Bedingung des Gelingens ist. Neben einer Handvoll Personen, die für ihre Tätigkeit bedürfnisorientiert bezahlt wird, wird der Rest der anfallenden Arbeit – vom Verkauf über die Ladenorganisation bis hin zu politischen und administrativen Aufgaben – durch das Engagement der Mitglieder erbracht. Durch die geringeren betrieblichen Ausgaben sowie das Engagement der lokalen Gemeinschaft wird am Ende Wohlstand global umverteilt, und aus dem alltäglichen Lebensmitteleinkauf wird niedrigschwelliger Aktivismus. Die aktiven Mitglieder bezahlen im Gegenzug je nach Bedarf und eigener ökonomischer Lage bis zu zwanzig Prozent weniger auf ihren Einkauf.1 Durch diesen Mechanismus wird mehr Menschen, die sich dies andernfalls nicht leisten könnten, ein Zugang zu sonst teuren Biolebensmitteln ermöglicht.

Neben der Umverteilung wird aber auch das Verhältnis zu Nahrungsmitteln und ihrer Erzeugung verändert: Ähnlich wie bei Betrieben der Solidarischen Landwirtschaft entsteht durch das Engagement der aktiven Gemeinschaft eine Wiederannäherung zwischen Konsum und Produktion, was Alvin Toffler auf das Kofferwort »Prosuming« brachte.

Selbstverständnis und Vision einer wachsenden Bewegung

Für die Engagierten von RobinHood// ist das Selbstverständnis zentral, dass die Reorganisation und die gerechtere Verteilung von Wohlstand und Ressourcen keine Wohltätigkeit des im Überfluss lebenden globalen Nordens ist. Es ist eine Frage der Verantwortung aller in Wohlstand lebenden Menschen. Daher ist es den Beteiligten ein wichtiges Anliegen, dass die gespendeten Gelder nicht in philanthrokapitalistische Projekte fließen. Neokolonialistische und ungleichheitsbasierte Strukturen sollen nicht erhalten und reproduziert, sondern umgestürzt werden. Dieses Anliegen braucht eigens verantwortungsstarke Institutionen. Seit der Gründung des Projekts ist es den Gründer:innen und den Mitgliedern wichtig, für den RobinHood//Store eine besser passende, sinnorientierte und demokratische Rechtsform zu finden. Verantwortung und Entscheidungsmacht sollen zukünftig auch rechtlich an die demokratische Gemeinschaft übertragen werden, beispielsweise durch eine GmbH in Verantwortungseigentum.2

So bleibt das Projekt ein Kommen und Werden. Die Bewegung wächst und entwickelt sich. Im April 2022 zählte der Store bereits über 1.000 Mitglieder. Die bisherigen Läden sind aber weder Anfang noch Ende, sondern Teil einer größeren Idee: zukünftig sollen Gemeinschaftsräume und Kooperationen geschaffen werden, die in demokratischen Prozessen und kreativem Austausch neue Ideen für die Weiterentwicklung des Konzepts finden. Aus diesen Räumen des Zusammenkommens und des Austausches sollen dann wiederum neue Unternehmungen und Projekte entstehen, die sich den Prinzipien von RobinHood// verschreiben, diese weiterentwickeln und zukunftsfähiges und solidarisches Wirtschaften im Alltag – wie im RobinHood//Store – umsetzen. 

  1. Wie der eigene Bedarf aussieht und ob und in welchem Maß sie vergünstigt einkaufen, ist den Mitgliedern selbst überlassen. Es wird aber bei der Aufnahme neuer Mitglieder darauf geachtet, einen selbstkritischen und ehrlichen Umgang damit einzufordern. []
  2. Die Eigentumspionier*innen . []